Unser Mascha-Kaléko-Konzert im Kulturkeller Heilbronn kam sehr gut an.
Wenn die Kriege aus sind
Heiter-besinnlicher Abend mit der Diseuse Alix Dudel und dem Gitarristen Sebastian Albert im Kulturkeller Heilbronn
VON MONIKA KÖHLER
Mascha Kaléko – beim Klang dieses Namens tun sich Welten auf. Für den, der die in Galizien geborene, in Berlin lebende, in die USA emigrierte und in Zürich gestorbene Lyrikerin schätzt. Und für den, der ihre tief sinnlichen, humorvollen, zu Herzen gehenden Texte interpretiert. Alix Dudel und Sebastian Albert sind Meister auf beiden Gebieten.
Im Kulturkeller entwerfen die Diseuse aus Berlin und der Gitarriste aus Hamburg mit den Worten der Lyrikerin und musikalischen Miniaturen und Vertonungen von Herbert Baumann einen Gefühlskosmos, der berührt, nachdenklich stimmt. Und mit einer feinen Spur von Vergnügtheit auch Lebensfreude versprüht. Alix Dudel steht auf der kleinen Bühne im in seiner drangvollen Enge diesmal besonders intimen Keller. Die Stimme – ein dunkel leuchtendes Echo mit einem samtig-schnurrenden Timbre, das der zierlichen Gestalt nicht anzusehen ist.
Mit einem Brief an die jüdische Dichterin hat sich Alix Dudel Mascha Kaléko genähert. Immer wieder wird er an diesem Abend aufblitzen, Biografisches enthüllen, das Schicksal der Kaléko, ihrer beiden Ehemänner, ihres Sohnes, wird Parallelen zwischen der Poetin und ihrer Sprecherin ziehen.
Sehnsucht
Die Verse und Lieder nehmen mit in kühle Novembertage, zum unwillig stillen Kind, das sich gegen die Konventionen der Weiblichkeit auflehnt. Sie verzehren sich in Sehnsucht nach dem Liebsten, plaudern frohgemut, sind beschwipst mit kleinem Schalk, trumpfen im Stakkato auf und freuen sich mit Dudel wie ein kleines Mädchen über den Raub einer Puppe.
Reich sind die stimmlichen Mittel, über die Dudel verfügt, schier unerschöpflich ihr Vorrat an Klangfärbungen. Die Sprachmelodie verführt, umgarnt, poltert. Ihre Worte sind Gesang, ihr Gesang ist ein emotionales Glühen. Kleine Einwürfe machen den Vortrag persönlich.
Baumanns Vertonungen, dazu spanisch temperierte Ereignisse von Villa-Lobos und Castelnuovo-Tedesco, sind in ihrer Kürze genau richtig, um die Gedanken schweifen zu lassen. Von Albert ausdrucksstark und sensibel erweckt, scheinen sie für die Worte geschrieben. Im Rhythmus weinen und lachen sie mit ihnen, eilen davon und halten inne. Und zerfließen in Sphärenmusik, wenn die Lyrikerin nachts nicht schlafen kann. Dass, wenn die Kriege aus sind, Frieden sei, glaubt das Kind. Dudel lässt die beschriebenen Seiten zu boden gleiten. Vergangene Zeit, vergangenes Leben.
Heilbronner Stimme, 14. März 2016